
Petra Busch hat Mathematik, Informatik, Literaturgeschichte und Musikwissenschaften studiert, in Mediävistik promoviert und zeitgleich eine journalistische Ausbildung gemacht. 2006 machte sie sich als Texterin in den Bereichen IT, Medizintechnik und Kultur selbstständig. Mit „Schweig still, mein Kind“ veröffentlichte sie 2010 ihren ersten Krimi bei Droemer Knaur und erhielt dafür den Friedrich-Glauser-Preis für das beste Debüt. 2011 erschien „Mein wirst du bleiben“, 2013 folgte „Zeig mir den Tod“. 2011 war sie außerdem Herausgeberin der Kurzkrimi-Anthologie „Mördchen fürs Örtchen“. Soeben hat sie ihren vierten Buchvertrag abgeschlossen; diesmal wird’s ein Thriller.
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Birte Vogel (bv): Frau Busch, wie kommt man von der Mathematik über die Mediävistik zu Mord?
Petra Busch (PB): Das liegt wohl im Blut. Ich habe schon als Kind gern Krimis gelesen, „5 Freunde“ von Enid Blyton mit der Taschenlampe unter der Decke, „Die drei ???“ und Ähnliches. Seit Ende meines Studiums verdiene ich meine Brötchen als Werbetexterin und Journalistin. Als ich nach 15 Jahren Zeit hatte, das Krimischreiben beruflich umzusetzen, hab ich’s gemacht.
bv: Über welche Themen schreiben Sie ansonsten beruflich, von den Morden mal abgesehen?
PB: Ich schreibe großenteils Werbe- und Pressetexte und habe lange Zeit ausschließlich für die Bereiche IT und Software gearbeitet. Es gibt nur wenige Texter, die darauf spezialisiert sind; das ist eine schöne Nische. Ich setze auch sehr gern Kultur- und Fotografie-Projekte um. Aber die IT-Branche ist finanziell gesehen lukrativer. Außerdem schreibe ich ehrenamtlich Texte für den Tierschutz, das ist eine Herzenssache. Aber das alles läuft komplett separat von meinen Büchern.
bv: Inwiefern war Ihr Studium hilfreich für das Krimischreiben?
PB: In Krimis gibt es viele verschiedene Handlungsstränge. Man muss Spannungsbögen aufbauen, Haupt- und Nebenplots entwickeln und an den richtigen Stellen miteinander verweben. Das logische Denken, das klare Strukturieren aus der wissenschaftlichen Arbeit, hilft mir dabei.
bv: Wie würden Sie Ihre Arbeit als Kriminalschriftstellerin beschreiben?
PB: Es ist ein Job, der mich ausfüllt. Wer will das nicht: frei sein ohne feste Arbeitszeiten. Und vielleicht ein Buch schreiben. Auf der andern Seite habe ich auch den Anspruch, sehr genau zu recherchieren. Mein Kommissar ermittelt so, dass es der Realität entsprechen könnte. Das ist sehr viel Aufwand, und ich brauche deshalb für einen Krimi inklusive Recherche fast ein Jahr. Ich entwerfe den Plot am Reißbrett und habe Spezialisten, die ich immer fragen kann. Ein Uralt-Freund bei der Freiburger Kripo liest alles gegen, nachdem ich ihm zuerst Löcher in den Bauch gefragt habe. Ein Rechtsmediziner erklärt mir jedes Detail, und alle meine „Freunde und Helfer“ erkundigen sich für mich auch schon mal bei Kollegen aus anderen Fachbereichen.
Die Realität ist oft schrecklicher als die Fiktion
bv: Mit Krimis streifen Sie ja die Abgründe der menschlichen Natur. Was macht Ihnen daran so viel Spaß?
PB: Mich interessiert das Rätselhafte, die Schattenseite der Menschen. Und ich finde es unglaublich spannend, Dinge zu schreiben, die man im Alltag nicht verwirklichen kann. Der Krimi ist dafür die ideale Form, die uns die Grenzen der Moral, der Religionen dennoch überschreiten lässt. Es gibt so viele zwischenmenschliche Abgründe. Die Idylle ist extrem selten und die Realität oft viel schrecklicher als die Fiktion.
Spannend ist auch, was aus den Hinterbliebenen wird. Und was einen Menschen zum Mörder werden lässt. Wann und warum man Grenzen des Gesetzes oder der Moral oder Religion überschreitet. Ich bin ganz sicher, dass jeder zum Mörder werden könnte, unter entsprechenden Bedingungen.
bv: Von diesem Interesse bis zu einem fertigen Krimi ist es aber ein weiter Weg. Und dann einen Verlag zu finden, ist noch einmal eine große Hürde. Ihnen wurden aber gleich im ersten Versuch drei Verträge angeboten, und zwar von allen drei Verlagen, an die Sie Ihr erstes Exposé geschickt haben. Wie geht sowas?
PB: Ich kann das heute noch kaum glauben. Ich hab das Exposé und zwei Kapitel an Droemer Knaur, dtv und Rowohlt geschickt. Und alle drei wollten das Buch haben.
bv: Wie erklären Sie sich das?
PB: Ich habe einen Exposékurs bei Momo Evers gemacht und das Exposé für mein erstes Buch während des Kurses geschrieben. Die Verlage erhalten immer mehr unzureichende Exposés – so hört man. Meines aus dem Kurs war wohl, wie die Lektorinnen sagten, besonders durchdacht und enthielt alles, was ein Lektor wissen will. (lacht)
bv: Was muss denn ein so gutes Exposé beinhalten?
PB: Es gibt keine Vorgaben dafür. Manchen Verlagen genügen drei Seiten, bei anderen können 30 sinnvoll sein. Das sollte man vor dem Versenden im Einzelfall klären. Der Kurzinhalt muss auf jeden Fall drinstehen, vielleicht auch ein Kapitelabriss vom ersten bis zum letzten Kapitel. Gut ist, zu schreiben, warum man zu einem speziellen Verlag will, welche Marketingargumente es für das geplante Buch gibt. Wichtig auch: Verlage wollen wissen, dass man zuverlässig ist und Abgabetermine einhalten kann. Und dass man für Kritik offen ist.
Nach vier Jahren im Buchgeschäft kann ich selbst verhandeln
bv: Woher hatten Sie das Selbstbewusstsein, sich ausgerechnet mit Ihrem ersten Buch bei ausgerechnet dreien der bekanntesten deutschen Buchverlage zu bewerben und nicht erst einmal ganz klein anzufangen?
PB: Was hätte ich zu verlieren gehabt?
bv: Warum haben Sie nicht zuerst nach einer Agentur gesucht? Die nimmt einem ja viel Arbeit ab und kann oftmals bessere Verträge durchsetzen.
PB: Mir schienen die Verlagsangebote damals richtig gut. Mir ging’s, wie es vielen geht: Juhu, sie wollen mich! Unterschreib! Zudem ist es als Neuautor genauso schwer, einen guten Agenten wie einen Verlag zu finden. Vorteil ist natürlich, dass ein Agent die Buchlandschaft kennt und daher besser verhandeln kann. Nach mittlerweile vier Jahren im komplexen Buchgeschäft weiß ich, wie es läuft, kann meine Verträge ganz gut selbst verhandeln. Dafür muss man aber auch der Typ sein.
bv: Wie war das beim ersten Vertrag ohne Agentur? Haben Sie da schon einen Vorschuss bekommen und dann Tantiemen?
PB: Das war wie bei allen großen, seriösen Verlagen. Sie zahlen immer einen Vorschuss. Laut Standardvertrag und Neuautoren sind das 5.000 Euro. Dazu kommt dann die prozentuale Beteiligung am Buchverkauf. Die beträgt in der Regel fünf Prozent vom Nettoladenpreis bis zu einer Auflage von 20.000 Stück. Dann wird’s gestaffelt: bis 40.000 sind es sechs Prozent, über 40.000 gibt’s sieben Prozent. Man muss nur darauf achten, dass der Vorschuss ein Garantiehonorar ist.
bv: Wie sieht das bei den Folgeverträgen aus?
PB: Beim zweiten Buch war das Honorar schon höher als beim ersten. Für das dritte Buch hatte ich eine Agentur, war aber nicht so zufrieden. Darum habe ich den vierten Vertrag gerade vor zwei Wochen wieder selbst mit dem Verlag ausgehandelt.
bv: Sie haben für Ihr erstes Buch „Schweig still, mein Kind“ 2011 den Friedrich-Glauser-Preis für das beste Debüt bekommen. Der Glauser-Preis ist ja einer der wichtigsten Krimipreise Deutschlands. Was für Folgen hatte er für Sie und Ihr Buch?
PB: Rein marketingtechnisch gab’s keine Folgen. Die Verkäufe sind weder besser noch schlechter gelaufen. Da hätte ich mir gewünscht, dass mein Verlag den Preis mehr gepusht hätte. Persönlich aber hat’s mich bestätigt und extrem motiviert.
Ganz toll war auch, dass Mechthild Großmann, die Staatsanwältin Klemm aus dem Münster-Tatort, bei der Preisverleihung aus meinem Buch gelesen hat. Nach dem Gala-Abend haben wir mit ihr bis ins Morgengrauen Rotwein trinkend und rauchend in der lauen Sommernacht gesessen. Das war sozusagen wie im Film. (lacht)
Jeder Autor sagt: „Mein Verlag wirbt nicht genug für mich!“
bv: Wie viel Mitspracherecht hatten Sie als Neuling eigentlich an Ihrem eigenen Text?
PB: Ganz viel. Die Lektorin hat kaum etwas geändert. Und die Stellen, die sie angemerkt hatte, haben wir zusammen diskutiert. Es ist aber auch so üblich, dass der Autor das letzte Wort hat. Es ist ja sein Text und soll es auch bleiben.
bv: Und wie viel Mitspracherecht hatten und haben Sie bei Titel und Cover?
PB: Ich gebe meine Manuskripte immer unter einem Arbeitstitel ab. Auf der Marketing- und Titelkonferenz wird darüber diskutiert. Wenn diese beschließt, der Titel muss noch knackiger werden, dann muss ich mir einen neuen überlegen. Mein erster Titel ging so durch. Beim zweiten und dritten haben wir länger beratschlagt – sie blieben dann doch so wie von mir angedacht. Ich hätte aber im Zweifelsfall kein Entscheidungsrecht.
Beim Cover ist es genauso. Der Stil war schon beim ersten Buch festgelegt. Und die Cover gefallen mir wirklich gut. Das erste hat ja sogar noch das „Bloody Cover“ gewonnen (Publikumspreis vom Syndikat, einer Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur; Anm. d. Red.).
bv: Es gibt immer mehr AutorInnen, die beschließen, ihre Bücher selbst zu veröffentlichen, weil die Verlage sie zwar annehmen, ihnen einen kleinen Vorschuss zahlen, dann aber kein Budget mehr für vernünftige Werbung haben (wollen). Wie viel Werbung hat Ihr Verlag für Sie gemacht? Lief das so, wie Sie es erwartet hatten? Und hatten Sie da eine Mitsprachemöglichkeit?
PB: Fragen Sie herum. Jeder Autor sagt: „Mein Verlag wirbt nicht genug für mich!“ Das ist normal. (lacht) Ich kann natürlich Wünsche einbringen und Vorschläge für PR-Themen einbringen. Was dann aber letztendlich realisiert wird, da stecke ich nicht drin.
bv: Ihr Glauser-Preis wurde aber nicht per Aufkleber auf Ihrem Erstling verkündet, wie man das häufig bei Büchern sieht.
PB: Nein, leider nicht. Das war eines der Dinge, die ich mir vom Verlag gewünscht habe. Aber da war nichts zu machen.
bv: Welche Rolle spielt Social Media für Sie? Haben Sie spezielle Autorinnen-Profile auf FB, Google+ und Twitter?
PB: Ich hab ein persönliches Facebook-Profil. Das nutze ich in erster Linie für meine Tierschutzarbeit. Twitter und Google+ nutze ich nicht. Das wäre mir viel zu viel. Ich weiß gar nicht, wie die Leute das machen. Ich brauche Zeit zum Arbeiten am Stück, sonst kann ich nicht schreiben. Und ich muss Abgabetermine einhalten. Da würden mich noch mehr Social-Media-Zeitfresser nur zu sehr verlocken, zu prokrastinieren statt zu schreiben. Ich lasse mich nämlich sehr leicht ablenken. Leider. Ich habe aber eine Facebookseite, auf der ich in Kontakt mit meinen Lesern stehe.
Anfangs gab’s Rezensionen, die mich verletzt haben
bv: Ist das in irgendeiner Weise förderlich für Sie, Ihre Arbeit und Ihre Verkaufszahlen?
PB: Sehr gute Frage. Mich beschleicht immer mehr das Gefühl, dass Facebook extrem wenig bringt. Sehr schön ist aber, dass man sich mit Leuten austauscht, die man sonst nicht kennen lernen würde. Oder wenn ich zum Beispiel für eine Figur Namen suche, dann kommen da sehr durchdachte und witzige Vorschläge und Kommentare. Die Leser sind meist ungemein kreativ. Das macht richtig Spaß.
bv: Wie sehr hilft Ihnen das Feedback zu Ihren Büchern, das Sie direkt von Ihren LeserInnen bekommen?
PB: Sehr. Leser schrieben zum Beispiel, dass sie sich wünschen, dass Kommissar Ehrlinspiel und Hanna Brock schneller zusammenkommen. Manche kritisierten, die Polizeiarbeit sei zu ausführlich beschrieben und ziehe das Ganze in die Länge. Andere wiederum finden grade das spannend. Das lässt mich nachdenken und gegebenenfalls neu entscheiden fürs nächste Buch. Wenn ich überzeugt bin, dass die Leser recht haben, mach ich’s anders als geplant. Ich schreib ja in erster Linie für sie, nicht für mich.
bv: Sie haben ganz unterschiedliche Rezensionen und Bewertungen für Ihre Bücher bekommen, auch auf Amazon.de. Lesen Sie die alle?
PB: Beim ersten Buch hab ich alle gelesen, beim zweiten ab und zu reingeguckt, beim dritten könnte alles stehen, weil ich nicht mehr mitlese. Anfangs gab’s mal zwei Rezensionen, die mich verletzt haben. Da standen Dinge drin über Figuren, die es in meinem Buch nicht einmal gab. Ich hab überlegt, was ich machen soll, dann das Ganze aber ignoriert. Fakt ist ja: Es gibt immer Leser, denen meine Bücher nicht gefallen. Sie sollen das gern äußern – aber dann auch begründen. Wenn da nur steht: „Das Buch ist Mist“ – ist jetzt frei erfunden –, hat derjenige es wahrscheinlich entweder nicht gelesen oder gehört zu den lieben Kollegen und Neidern, die derlei „Rezensionen“ vom Stapel lassen. Dass es die gar nicht so selten gibt, ist unter den Autoren längst bekannt.
bv: Sie machen auch Lesungen zu Ihren Büchern. Wer hat die Lesungen für Sie arrangiert?
PB: Anfangs der Verlagsvertreter für Baden-Württemberg. Damals gab es „Mord plus“ als Event, mit Bildern von Originalschauplätzen, Musik und zusammen mit einem Schauspieler. Damit war ich dreimal auf Tournee. Der Schauspieler war leider sehr krank und ist diesen Juli gestorben, so dass „Mord Plus“ erst mal pausiert. Ich überlege, was daraus wird.
Als ich dann bekannter war, kamen viele Anfragen über den Verlag. Teilweise kommen auch Buchhändler über Facebook auf mich zu.
Lesungshonorar sollte sein, denn man bringt schließlich eine Leistung
bv: Man hört immer wieder von AutorInnen, dass Lesungen nicht mehr bezahlt werden. Ist das bei Ihnen auch so?
PB: Selten. Dass ich nach der Anfrage hörte: „Wie bitte, das kostet etwas?“, ist mir nur einmal passiert. Aber das war keine Buchhandlung, sondern ein Café. In der Regel erhalte ich ein gutes Lesungshonorar. Plus Fahrt- und Hotelkosten. Das sollte auch so sein, denn man bringt schließlich eine Leistung. Und viele Autoren bestreiten einen Teil ihres Einkommens überhaupt nur durch Lesungen. Die Bücher, die man an so einem Abend verkauft, sind ja nicht die Welt bei etwa 50 Cent Tantiemen pro Buch.
bv: Wie viel Zeit nehmen die Lesungen in Anspruch und inwieweit lenken sie Sie vom Schreiben ab?
PB: Lesungen lenken mich nur ab, wenn ich mehrere Tage an weiter entfernten Orten bin. Wenn ich länger als zwei, drei Tage nicht am Manuskript gearbeitet habe, bin ich draußen.
bv: Wie lange dauert es, bis Sie dann wieder in Ihrem Text drin sind?
PB: Danach dauert’s etwa einen halben Tag, bis ich wieder bei meinen Figuren angekommen bin und weiß, wie es denen gerade geht, welche Stimmung herrscht, was sie als nächstes machen und erleben, und was sie nun tun werden.
bv: Liegen Ihnen Lesungen eigentlich oder sind sie einfach nur notwendig?
PB: Ich liebe Lesungen! Und sie sind sehr unterschiedlich. Ich suche zum Beispiel auch immer Stellen mit Humor aus, weil meine Psychokrimis ja sehr düster sind. Vor manchem Publikum lese ich dann die Passage und nichts passiert. Ein anderes Publikum bricht genau dort in schallendes Gelächter aus. Das ist manchmal schon skurril.
bv: Müssen das jetzt auch Event-Lesungen sein, oder zieht das klassische Modell Tisch & Stuhl, Wasserglas, Autorin noch immer?
PB: Unbedingt Event-Lesungen. Die klassischen Wasserglas-Lesungen locken kaum noch Leser aus dem Haus. Die Veranstalter und natürlich das Publikum wollen heute etwas Besonderes. Häppchen und ein Schluck Saft oder Wein kommen immer gut an, Bilder zeigen, Musik, etwas Persönliches erzählen. Ich selbst erzähle zwischendurch sehr viel über mich, übers Schreiben, wie ich anfange, recherchiere, wie ich auf die Ideen komme. Daraus sind schon tolle Diskussionen nach der Lesung entstanden.
Ich wollte lieber frei sein und hab’s nie bereut
bv: Welche Vorteile hat die Bekanntheit für Sie?
PB: Vorteile? Eigentlich gar keine. Bei der Wohnungssuche war es allerdings mal so, dass eine Vermieterin zu mir sagte: „Ich kenne sie nicht, aber ich mag Krimis.“ Deshalb hat sie mir die Wohnung angeboten. Ohne Einkommensnachweis oder Schufa & Co. Eine anderer potenzieller Vermieter sagte: „Schriftstellerin? Wann können Sie einziehen?“ Leider haben mir beide Wohnung nicht gefallen. Es zeigt aber, dass in den Köpfen noch immer die falsche Vorstellung lebt: Jeder Autor hat viel Geld. Wenn dem so wäre, hätte ich längst eine Villa am See. Und die nicht nur zur Miete. (lacht)
bv: Hat die Bekanntheit auch Nachteile?
PB: Ja, schon. Stalker zum Beispiel. Davon hatte ich schon zwei. Und ich kann mir Schöneres vorstellen – das ist auch passiert –, als von Fremden im Urlaub umschlichen zu werden, stundenlang, damit die ein Foto ergattern, wenn ich mit sonnencremeglänzendem Gesicht und verschwitzt irgendwo auf dem Berg hocke.
bv: Krimis sind ja ein fieses, oftmals blutrünstiges Geschäft, in dem es um die Abgründe der Menschen geht. Gibt es dennoch etwas, über das Sie nie schreiben würden?
PB: Ich mag’s nicht blutrünstig. Mir sind die psychologischen Rafinessen wichtiger. Drogen interessieren mich gar nicht, und über sexuellen Missbrauch an Kindern würde ich nicht schreiben.
bv: Können Sie von den Krimis allein leben?
PB: Ich habe noch viele Werbetextkunden, die ich auch weiterhin und gern betreue. Aber ich kann einen guten Teil meines Lebensunterhaltes von den Büchern bestreiten.
bv: Sie sind seit 2006 freischaffend tätig. Waren Sie auch mal fest angestellt?
PB: Ja, zehn Jahre in Marketing- und Werbeagenturen. Ich wollte aber lieber frei sein und es selber probieren. Ich hab’s nie bereut.
bv: Was sind denn die Vorteile der Selbstständigkeit?
PB: Die freie Zeiteinteilung. Schreiben ist ein sehr kreativer Job. Da kann ich keine acht Stunden runterarbeiten. Ich schreibe ganz intensiv, bin aber nach zwei, drei Stunden ausgelaugt und brauche dann eine Pause. Das kann ich als Angestellte nicht machen, mal eben in den Wald gehen oder so. Ich schreibe etwa bis 13 Uhr und fange dann gegen 16 Uhr wieder an. Das geht aber auch schon mal bis abends um 10 Uhr.
Autoren müssen immer mehr kämpfen
bv: Hat die Selbstständigkeit auch Nachteile für Sie?
PB: Ja, sicher. Wenn ich nicht recht weiterkomme im Schreiben, wenn ich schlapp bin oder es unglaublich heiß ist, dann frag ich mich: Wie oder wer oder was motiviert mich jetzt? Und auch das kennt jeder Selbstständige: den Wechsel zwischen mauen und tollen Zeiten. Aber fast immer ist es so, wie es ist, genau mein Traumjob.
bv: Apropos tolle Zeiten: Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Honorare für BuchautorInnen? Hat sich, seit Sie schreiben, da etwas verändert?
PB: Autoren müssen immer mehr kämpfen. Verlage auch. Und jeder versucht natürlich, das Beste für sich rauszuholen. Für mich hat sich nichts verschlechtert, ich hab sogar bessere Bedingungen ausgehandelt. Nur der Buchmarkt muss zumindest stabil bleiben, sonst hilft mir das wenig. Für neue Autoren ist es aber, glaub ich, schwieriger geworden. Es gibt einfach unheimlich viele, die schreiben und veröffentlicht werden möchten.
bv: Was hat sich in diesem Job verändert, seit Sie Krimis schreiben?
PB: Ich hab mehr Katzen (lacht). Ich bin selbstbewusster geworden. Ich weiß, ich schreibe innerhalb von einem oder eineinhalb Jahren ein Buch. Ich werde routinierter beim Schreiben, wobei das das falsche Wort ist, denn das klingt oberflächlich. Genau das aber bin ich nicht – behaupte ich jetzt mal so. Ich habe auf jeden Fall mehr Übung im Buchaufbau, habe meine eigenen Plot-Methoden gefunden und weiß, wo die ergiebigsten Recherchequellen sitzen.
bv: War das erste Buch demnach schwieriger zu schreiben als das zweite?
PB: Mir fiel das zweite schwerer, weil ich den Anspruch hatte, es besser zu machen als das erste. „Schweig still, mein Kind“ hatte noch diese Faszination des Unbekannten: Wow, ich bin bei einem großen Verlag und inmitten der Buchwelt! Jetzt kenne ich mich dort aus und spüre die wirtschaftliche Seite des Ganzen. Bücher sind jetzt – auch – ein Geschäft, nicht mehr nur Genuss. Ich kenne auch die Menschen im Verlag besser, das ist sehr angenehm. Bei Droemer fühle ich mich gut aufgehoben. Mir gefallen die Betreuung, die kurzen Wege und der gute Draht zu den Mitarbeitern, von der Buchhaltung bis zum Verleger.
Man braucht Durchhaltevermögen, denn das ist kein Spaziergang
bv: Gibt es eigentlich reine Online-Krimis? Oder wäre das eine Option für Sie?
PB: Die gibt’s, aber ich weiß nicht von wem. Ich glaub, Sebastian Fitzek hat mal so etwas initiiert, und Rowohlt hat ein solches Projekt gerade laufen. Aber das ist zumindest im Augenblick nichts für mich.
bv: Würden Sie Leuten, die sich fürs Krimischreiben interessieren, eher zu einer Agentur raten oder doch erst mal zum direkten Versuch bei Verlagen?
PB: Das ist eine Typfrage. Grundsätzlich würde ich sagen: erst selber versuchen. Ein guter Agent ist nicht leichter zu finden als ein guter Verlag. Und man muss bedenken, dass eine Agentur 15–20% Provision von allen Bucheinahmen erhält. Wenn man aber nicht gut verhandeln kann oder will, ist ein Agent natürlich sinnvoll.
bv: Wäre es ein wichtiges Argument, dass eine Agentur sozusagen als Vorkosterin agiert und deren Vorschläge von Verlagen wohl eher beachtet werden?
PB: Das spricht natürlich dafür. Aber es ist kein Muss, wenn man an einen Verlag herantritt. Wichtig ist eine gute Vorbereitung. Das bedeutet: Man muss fragen, wer im Verlag Ansprechpartner für das entsprechende Genre ist. Dann dort anrufen, das Projekt in drei Sätzen vorstellen, fragen, ob man das Exposé schicken darf. Dann weiß der zuständige Lektor, dass etwas kommt und schaut auch rein. Wenn das Exposé so gut ist, dass es den Lektor neugierig macht, hat man gute Chancen. Das Buch vorstellen geht übrigens prima mit dem Elevator Pitch.
bv: Was ist unbedingt nötig, um erfolgreich Krimis schreiben zu können?
PB: Durchhaltevermögen. Das ist das Wichtigste, bei jedem Roman. Denn bis man von der Idee bis zum 400-Seiten-Manuskript gekommen ist, das ist kein Spaziergang. Viele haben gute Ideen, schreiben drauflos und hängen dann nach 40 Seiten fest. Man sollte sich wenigstens grob überlegen, wo’s hingeht. Auch wichtig: Man muss schreiben können; es gibt einige handwerkliche Grundlagen, die man einfach und schnell lernen kann. Man muss auch viel Leidenschaft fürs Schreiben mitbringen. Und man sollte, wenn man Krimis schreiben möchte, auch Krimis lesen. Dabei lernt man, was funktioniert und was nicht.
Nötig ist auch Kreativität. Vielleicht auch ein bisschen Irrsinn (lacht). Und man muss viel Mut haben, denn gute Romane schreiben braucht viel Zeit, und es ist am Anfang nicht unbedingt lukrativ.
bv: Herzlichen Dank für das Gespräch!
(Zuerst veröffentlicht auf „Schreiben als Beruf“ am 27.08.2013.)