Ghostwriting: Daniela Pucher

Ghostwriterin Daniela Pucher (Foto: Renée Del Missier)
Ghostwriterin Daniela Pucher (Foto: Renée Del Missier)

Daniela Pucher wollte schon immer Bücher schreiben. Bis dahin absolvierte sie ein paar Umwege: Von der Sekretärin arbeitete sie sich über ein BWL-Studium hoch zur Personalmanagerin und ließ sich und ihre Schreibe nebenberuflich u. a. von Wolf Schneider weiterbilden. 2003 machte sie sich in Wien selbstständig, arbeitete zunächst als Trainerin und Coach, bald aber auch als Textberaterin und Texterin und schließlich als Sachbuch-Autorin, Autorenberaterin und Ghostwriterin. Neuerdings schreibt sie auch erzählende Sachtexte für ihre Kunden. Als Ghost erscheint ihr Name nicht immer auf einem Buchtitel, daher ist dies nur eine Auswahl ihrer Bücher: Bösel, Warum haben Eltern keinen Beipackzettel?; Askeljung, BrainRead; Bösel, Leih mir dein Ohr und ich schenk dir mein Herz; Mares/Pucher, Wie behalte ich die Finanzen im Griff?; Mares/Pucher, Der erste Mitarbeiter.

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Birte Vogel (bv): Es gab in den letzten Jahren mehrere Affären um deutschen PolitikerInnen wie Karl-Theodor zu Guttenberg, Annette Schavan, Silvana Koch-Mehrin u. a., die in ihren Doktorarbeiten von anderen abgeschrieben haben sollen, ohne die Quellen zu nennen. Auf diese Weise kam auch der Beruf der GhostwriterInnen in Verruf, obwohl längst nicht jede/r GhostwriterIn auch akademische Arbeiten schreibt. Haben diese Affären Auswirkungen auf Ihre Auftragslage gehabt?

Daniela Pucher (DP): Nein, das hatte keine Auswirkungen. In dieser Zeit habe ich auch erst mit dem Ghostwriting begonnen. Davor hatte ich drei Sachbücher unter meinem eigenen Namen geschrieben. Und dann kam ein Kunde, der ein Buch schreiben wollte, aber nur, wenn ich mit im Boot bin. So bin ich überhaupt zum Ghostwriten gekommen.

bv: Wie wird dieser Teil Ihres Jobs von anderen wahrgenommen?

DP: Ich kriege das vor allem in persönlichen Gesprächen mit. Wenn ich sage, ich bin Autorin, hat das eine positive Wirkung. Wenn ich sage, ich bin außerdem auch Ghostwriter, ernte ich manchmal ein Schreckensgesicht, oder sie verdrehen die Augen und machen blöde Scherze.

bv: Nervt das irgendwann?

DP: Nein, so oft kommt das gar nicht vor und wenn, dann amüsiert es mich. Für mich hat das Ghostwriting ganz klare Grenzen, und innerhalb dieser Grenzen ist es in keiner Weise verwerflich oder unethisch, dass ich Texte für jemand anderen schreibe. Das ist wie Werbetexten: Da schreibt man ja auch Texte, die der Kunde nicht selbst formulieren kann.

bv: Würden Sie auch akademische Arbeiten ghosten?

DP: Niemals. Genauso wenig würde ich für jemand anderen ein Buch über Yoga schreiben, wenn der selbst keine Ahnung von Yoga hat. Ich würde nie die komplette Recherche machen.

bv: Wurden Sie schon mal gefragt, ein ganzes Buch auch selbst zu recherchieren?

DP: Dass die Auftraggeber dann nur ihren Namen am Ende drauf setzen? Nein, das bin ich noch nicht gefragt worden. Das fänd ich auch völlig sinnlos, denn dann könnte ich ja gleich meinen eigenen Namen drüber schreiben. Ich würde das nicht machen, es sei denn, es ist der Bundespräsident oder George Clooney. (lacht) Scherz beiseite, meine Quelle ist immer das Wissen und die Erfahrung meiner Kundin oder meines Kunden, und ich bin ihre schreibenden Hände.

Es ist erfreulich, wenn meine Arbeit offiziell ist

bv: Wer sind Ihre KundInnen?

DP: Das sind meistens Berater und Trainer aus der Wirtschaft oder Therapeuten. Sie wollen ein Buch schreiben, wissen aber nicht, wie sie’s angehen sollen oder haben selbst keine Zeit zu schreiben.

bv: Warum lassen die ein Buch von Ihnen schreiben?

DP: Zur Unterstützung ihrer PR. Oder weil es ein Herzenswunsch ist. Oder wegen beidem. Ein Berater, der ein Buch geschrieben hat, das seinen Expertenstatus unterstreicht, wird eher gebucht.

bv: In Ihrem Blog schreiben Sie, GhostwriterInnen seien wie Schlossgeister. Was genau machen Sie als Schlossgeist?

DP: Das war eigentlich ein Gag – ich sehe mich nicht als Schlossgeist, ich poltere nicht herum. (lacht) Ich sehe mich als Buchschreiberin, die jemandem hilft, sein Wissen zwischen zwei Buchdeckel zu bringen, sodass es bei den Lesern ankommt und denen einen Mehrwert gibt. Ich bin eine Dienstleisterin.

bv: Aber eine, die nur selten in Erscheinung tritt. Denn es geben nur wenige zu, dass ihr Buch von GhostwriterInnen geschrieben wurde.

DP: Es gibt so viele Dienstleister, die wesentlich an der Qualität eines Buchs beitragen und trotzdem nicht gebührend erwähnt werden. Da finde ich’s natürlich erfreulich, wenn meine Arbeit einen offizielleren Charakter kriegt. Bei mir ist es gar nicht so selten, dass die Kunden dazu stehen. Es betrifft derzeit etwas weniger als die Hälfte meiner Aufträge.

bv: Wie läuft die Arbeit einer Ghostwriterin ab?

DP: Ich erkläre das mal an dem Buch „BrainRead“ von Göran Askeljung. Er macht seit Jahren Seminare zu diesem Thema und wollte gerne ein Buch darüber schreiben. Ich habe zunächst in seinem Seminar selbst erst einmal zwei Tage lang gelernt, schnell zu lesen – denn darum geht es in dem Buch. Ich bekam seine Unterlagen, das Seminar haben wir auf Band aufgenommen und transkribieren lassen. Meine Aufgabe war dann, zu überlegen, wie man das Thema aufzäumen und gliedern kann und wie es Pepp bekommt. Aus all den Unterlagen und den Eindrücken aus dem Seminar habe ich ein Konzept entworfen und ein Exposé geschrieben. Dieses Konzept haben wir besprochen und dann ein bisschen gefeilt, bis es gepasst hat.

Ein professionelles Exposé ist wichtig

bv: Wie konnten Sie einen der bekanntesten deutschsprachigen Ratgeber-Verlage, den Linde Verlag, von dem Buch überzeugen?

DP: Für Linde, denke ich, war die große Zielgruppe das Entscheidungskriterium. Das Thema ist breit genug und hat Potenzial am Markt. Denn das Schnell-Lesen betrifft nicht nur Führungskräfte oder Professoren, sondern alle. Wir haben ja so viel zu schreiben und zu lesen wie noch nie in der Geschichte der Menschheit.

bv: Gibt es noch andere Faktoren, die einen Verlag von einem Ghostwriting-Projekt überzeugen könnten?

DP: Der Autor muss auch gut vermarktbar sein. Er muss Kontakte, viele Multiplikatoren haben, die man anschreiben könnte, und er muss erfolgreich sein. Ich bin überzeugt davon, dass das bei Sachbüchern ein wichtiger Punkt ist. Ich habe vor allem Erstautoren als Kunden. Für die kann man nicht viel Marketingbudget in die Hand nehmen. Wenn der Autor dann ein Spezialist auf seinem Gebiet ist, ist es für den Verlag ja leichter, das Buch auf dem Markt zu etablieren.

bv: Wie wichtig ist ein Exposé bei der Entscheidung für das Buch?

DP: Es ist wichtig, ein professionelles Exposé zu haben, das auf den Punkt geschrieben ist, in dem nicht zu viel drinsteht – die haben ja auch nicht so viel Zeit im Verlag. Manche Autoren sind sich über ihr Thema sehr klar, andere haben zwar ganz viel Wissen im Kopf, sehen aber den Wald vor lauter Bäumen nicht. Da wird’s schwieriger, dem Exposé eine Klarheit zu geben, die den Verlag überzeugt.

bv: Wo haben Sie das Exposéschreiben gelernt?

DP: Es gibt Kurse dafür, aber die habe ich nie besucht. Ich hatte das ganz große Glück, eine Netzwerkkollegin zu kennen, die für einen Verlag arbeitete und Autoren für eine Buchidee suchte. Sie hat mir gezeigt, wie ein gutes Exposé aussehen soll. Ansonsten denke ich, dass mir mein Betriebswirtschaftsstudium hilft, das mir ausreichend Verständnis für Marketing und Verkauf vermittelt hat. Ich bin in der Lage, mich in den Verlag reinzudenken, zu erkennen, welche Informationen sie im Exposé brauchen und was der Vertreter braucht, um mein Buch beim Buchhandel zu promoten.

bv: Was ist es, das Sie so am Ghostwriting fasziniert oder Ihnen so viel Spaß macht?

DP: Ich mag die Themenvielfalt. Und ich schreibe wahnsinnig gerne Bücher. Vor vielen, vielen Jahren hatte ich mir schon in den Kopf gesetzt, dass ich vom Bücherschreiben leben möchte, und ich bin auf dem besten Weg dorthin. Ich bin ein „long copy writer“, mit großen Projekten tue ich mich viel leichter als mit kleinen.

Inhaltliche Gespräche basieren auf gemeinsamem Wissen

bv: War das schon immer so?

DP: Am Anfang meiner Selbstständigkeit habe ich viele Texte für Websites und Folder gemacht. Ich fand das anstrengend, so viele Projekte gleichzeitig jonglieren zu müssen. Man muss sich ja alle paar Stunden in einen anderen Menschen und ein anderes Thema hineinversetzen, das kostet mich viel Energie. Ich fühle mich wohl, wenn ich wenige große Projekte habe. Ich träume davon, an immer nur einem großen Projekt über einen längeren Zeitraum arbeiten zu können, damit ich mich so richtig in ein einzelnes Thema hineinfallen lassen kann. Dann flutscht alles so gut, das ist ein schönes Gefühl. (lacht) Das würde mir passen: vier große Buchprojekte im Jahr, und alle schön hintereinander.

bv: Würden Sie jedes Thema annehmen?

DP: Nein, ich könnte nie so viele Themen bedienen. Ich würde ja sehr gerne alles wissen, aber das hat ja bekannterweise auch Faust nicht geschafft. (lacht) Meine Themen sind Wirtschaft und Psychologie, weil ich in diesen Bereichen ausgebildet bin. Für meine Kunden ist das ein Vorteil, weil alle inhaltlichen Gespräche dadurch auf einem gewissen gemeinsamen Wissen basieren. Sie müssen mir nicht alles erklären und ich habe außerdem genug Einblick ins Thema, um hoffentlich kluge Fragen zu stellen.

bv: Zu welchem Ihrer Themen passt dann ein Buch wie „BrainRead“?

DP: „BrainRead“ ist kein echtes Wirtschaftsthema, eher etwas Interdisziplinäres, aber es ist in erster Linie für Menschen in der Wirtschaft geschrieben. So passt es dann auch wieder, weil ich 15 Jahre in der Wirtschaft angestellt war. Ich kenne die Bedürfnisse der meisten Leserinnen und Leser, für die dieses Buch geschrieben ist.

bv: Ist es eigentlich erstrebenswert, als Ghostwriterin immer auch auf dem Titel genannt zu werden?

DP: Wenn ich als Autorin zu einem bestimmten Thema auf dem Buchdeckel stehe, werde ich als Spezialistin für dieses Thema wahrgenommen. Das will ich aber nicht, wenn es nicht mein Thema ist. Auf einem amerikanischen Buch habe ich einmal gesehen, dass der Ghostwriter vorne in kleinerer Schrift steht und im Klappentext eindeutig stand: Der war Ghostwriter. Das könnte ich mir auch sehr gut vorstellen, wenn es so eindeutig ist. Aber so, wie es bei „BrainRead“ oder bei den Bösels ist, mit denen ich schon das zweite Buch zusammen gemacht habe, bin ich auch sehr einverstanden. Da stehe ich am Titelinnenblatt mit dabei. Als Autorin auf dem Buchdeckel würde ich höchstens auf einem Buch übers Schreiben stehen wollen.

Mach die Arbeit gut, dann wirst du empfohlen

bv: Wie werden Sie bezahlt? Erhalten Sie Tantiemen oder wird Ihre Arbeit mit Pauschalen abgegolten?

DP: Meistens sind es Pauschalen, manchmal bekomme ich Tantiemen, und für einen Kunden rechne ich genau nach Stunden ab. Für mich ist jede Variante in Ordnung. Es ist ja immer eine Frage der Verhandlung und des Budgets des Kunden. Man schreibt sehr viele Stunden lang – das muss natürlich honoriert werden. Ich dokumentiere allerdings auch bei einer Pauschale alle Stunden, die ich brauche. Das brauche ich für meine Statistik und um für künftige Angebote besser gerüstet zu sein. Pauschalen haben den Vorteil, dass die Kunden wissen, mit welchen Summen sie es insgesamt zu tun haben.

bv: Wie lange schreiben Sie im Schnitt an 200 Seiten?

DP: Das ist ganz unterschiedlich, aber es sind ungefähr zwischen 200 und 300 reine Arbeitsstunden. De facto sind es etwa eine bis eineinhalb Stunden pro fertiger Buchseite.

bv: Das zieht sich dann ja doch über einige Wochen und Monate. Werden die Pauschalen dann am Ende in einer Summe gezahlt?

DP: Ich vereinbare meistens eine Teilzahlung über die Monate. So können wir alle das Projekt gut planen.

bv: Hatten Sie schon je bei KundInnen Schwierigkeiten mit der Bezahlung?

DP: Bei Buchprojekten nie. Bei einem Web-Text hatte ich ein einziges Mal großen Ärger. Und ein anderer Kunde hat erst nach Ewigkeiten gezahlt, aber da habe ich einen Weg gefunden, mich zu verabschieden.

bv: Wie akquirieren Sie Ihre Ghostwriting-Kunden?

DP: Ich bin ein totaler Fan von Empfehlungsmarketing. Früher habe ich immer behauptet, ich kann nicht verkaufen, mich selbst schon überhaupt nicht. Aber im Laufe meiner Selbstständigkeit habe ich einen Weg gefunden: Mach deine Arbeit gut, dann wirst du empfohlen. Und ich habe sehr viele liebe Kunden, die das offenbar gerne tun. Meine ersten Kunden waren zwei der bekanntesten Paartherapeuten, sehr medienpräsent. Sie haben von vornherein gesagt, dass ich vorne mit im Buch stehen würde und mich bei Buchpräsentationen erwähnt. So hat mein Name Kreise gezogen. Auch in meinem Texterinnen-Netzwerk gibt es Kolleginnen, die mich empfehlen. Und ich bin offensichtlich im Bereich Social Media ausreichend präsent. Ein Kunde hat mich voriges Jahr über Xing kontaktiert, einer kam erst kürzlich über einen Blogbeitrag.

Die Chefs steckten Lorbeeren für meine Leistung ein

bv: Sie sind jetzt seit zehn Jahren selbstständig. Warum haben Sie sich überhaupt selbstständig gemacht?

DP: Ach, ich war vom ersten Arbeitstag an Angestellte. Nach der Matura habe ich als Sekretärin angefangen und war somit genau das, was ich nie sein wollte. Ich wusste aber nicht, was ich sonst machen könnte. Das Bücherschreiben erschien mir wie der romantische Wunschtraum eines Teenagers, aber nicht als realistisches Berufsziel. Bis zum 39. Lebensjahr war ich immer auf der Suche nach dem Job, der mir wirklich gefällt. Ich habe mich hoch gearbeitet, die Europasekretärinnen-Akademie besucht, war dann Assistentin, dann im Personalbreich, in der Personaladministration, doch das wollte ich alles eigentlich nicht. Ich war nur Erfüllungsgehilfin; meine Chefs steckten die Lorbeeren ein für das, was ich geleistet habe. Das kann es doch wohl nicht sein, dachte ich, ich will doch selbst für meine Arbeit wahrgenommen werden. Und dann – ausgerechnet Sekretärin! Ich hatte da so ein schiefes Bild von der netten, adretten Minirock- und Stöckelschuhträgerin mit Stenoblock, die dem Chef Kaffee kochen und immer lieb sein muss. Leider stimmte das damals mit der Realität überein. Nein, das war nicht das, was ich wollte.

bv: Wenn es Sie so gestört hat, warum haben Sie dann keinen anderen Weg eingeschlagen?

DP: Ich kam nicht aus diesen Jobs weg. Ich habe gut gearbeitet, meine Chefs wollten mich behalten. Also musste ich einen drastischen Schritt setzen und so habe ich gekündigt und Betriebswirtschaft studiert. Auf der Akademie hatte ich betriebswirtschaftliches Wissen kennengelernt und festgestellt, dass ich das eigentlich interessant finde. Mit 29 Jahren habe ich zu studieren begonnen und habe nebenbei gejobbt. Ich glaube, in dieser Zeit habe ich erstmals die Luft der freien Tagesgestaltung eingeatmet und zu lieben gelernt.

bv: Wie ging es danach weiter?

DP: Ich habe mich dann bis zum Management hochgearbeitet, war zum Schluss Personalchefin bei einem amerikanischen Großkonzern. Im Nachhinein bin ich denen sehr dankbar, denn diese Zeit war sehr schlimm für mich. Ich sollte Personalentwicklungsmaßnahmen umsetzen, die sich nicht mit meiner Ethik und meinem Menschenbild vereinbaren ließen. Deshalb habe ich dieser Karriere den Rücken zugekehrt. Die klassische Wirtschaftskarriere war also nicht das, was zu mir passt.

bv: Warum haben Sie nicht einfach die Firma gewechselt?

DP: Ich dachte, wenn ich zu einer anderen Firma gehe, ist es dasselbe in Grün. Also habe ich mich selbstständig gemacht. Zunächst war ich Unternehmensberaterin, zertifizierter Wirtschaftscoach, doch damit habe ich kaum Geld verdient.

Angestellt? Unvorstellbar, nie im Leben mehr!

bv: Und wie kamen Sie dann zum Schreiben?

DP: Ein anderer Coach hat mich darauf gebracht, es ernst zu nehmen, dass ich schreiben wollte. Manchmal braucht es einen anderen, der einen darauf hinweist, dass man etwas Besonderes kann. Ich habe dann erst einmal einen Online-Schreibkurs zum kreativen Schreiben gemacht. Ich dachte, ich fang einfach an, egal mit was. Aber ich habe das mit dem Schreiben noch immer nicht ganz ernst genommen. Erst als ich über eine Empfehlung an eine Dame geriet, die dringend Hilfe beim Texten ihrer Website und ihres Folders brauchte, dachte ich: Hey, man kann mit Schreiben ja doch Geld verdienen! Das war mein erster Schreib-Job.

bv: Nach zehn Jahren Selbstständigkeit: wären Sie nicht doch manchmal gerne wieder angestellt?

DP: Unvorstellbar, nie im Leben mehr! Ich bin eine absolut begeisterte Selbstständige. Mit gefällt es, in der ersten Reihe, aber nicht im Rampenlicht zu stehen. Ich bin meine Chefin, mir kann keiner mehr sagen, was ich zu tun habe und wann. Vielleicht klingt das vermessen, aber ich bin mir sicher, dass ich mir als Selbstständige immer mein Geld verdienen werde, auf welchem Weg auch immer, selbst wenn keiner mehr Bücher haben will.

bv: Sie haben sich im Lauf Ihres Lebens sehr weitreichend fortgebildet.

DP: Ja, ich war ein absoluter Weiterbildungsjunkie! Alles hat mich interessiert. Ich traue mich gar nicht zu sagen, dass ich auch gerne in die Schule gegangen bin. (lacht) Zwar war ich nie eine herausragende Schülerin, aber ich habe gerne gelernt, ich habe sogar gern Prüfungen abgelegt – sofern sie schriftlich waren natürlich (lacht). Es hat sicher auch meinem Selbstwert gut getan, zu wissen was ich weiß und kann.

bv: Hat die Selbstständigkeit eigentlich Nachteile für Sie?

DP: (überlegt lange) Nein. Wenn Sie mich das vor fünf Jahren gefragt hätten, hätte ich sofort den finanziellen Aspekt angesprochen und diese Unsicherheit, ob man im nächsten Monat noch Geld hat. Das hat mir in den ersten Jahren viele Ängste beschert. Mittlerweile habe ich damit umgehen gelernt. Im letzten Jahr hatte ich zum Beispiel ganz plötzlich ein Auftragsloch, aber ich konnte darauf relativ gelassen reagieren. Ich kann heute solche Durststrecken überstehen, ohne Magengeschwüre zu kriegen. Es wird schon wieder ein Auftrag kommen. Diese Erfahrung hat man in den ersten Jahren ja noch nicht.

Was will man wirklich, wirklich machen?

bv: Was machen Sie während dieser Durststrecken?

DP: Im vorigen Jahr waren drei Buchprojekte geplant, und alle drei sind weggebrochen. Ich stand ab Jänner ohne Auftrag da. Also habe ich mich mit mir beschäftigt, sozusagen mit innerbetrieblichen Belangen. Ich habe die Zeit genützt und überlegt: Was will ich als Nächstes machen? Das Ergebnis war, dass ich da endgültig beschlossen habe, nur noch Bücher schreiben und sonst nichts. Diese schon lange gehegte Vision, vom Bücherschreiben zu leben, hat sich in der Zeit ganz klar in den Vordergrund gedrängt. Wenn ich dieses Auftragsloch nicht gehabt hätte, hätte ich diese Klarheit vielleicht gar nicht bekommen. Ich schrieb also die Texte meiner Homepage um, produzierte einen Folder , schrieb Blogbeiträge. Und plötzlich war Herr Askeljung da mit seiner Ghostwriting-Anfrage, und seitdem habe ich mehr als genug zu tun.

bv: Sie hören sich auch nicht so an, als würden Sie Angst vor einem neuen Auftragsloch haben.

DP: Das ist natürlich leicht gesagt, wenn man grad im Auftrag steht und weiß, dass das Geld kommt. Das Blöde ist, dass man diese Durststrecke überstehen muss. Man darf nur nicht aus den Augen verlieren, was man wirklich, wirklich machen möchte. Mir erscheint das am allerwichtigsten.

bv: Haben Sie geregelte Arbeitszeiten oder arbeiten Sie auch die Wochenenden durch?

DP: Kurz vor Abgabeschluss passiert das schon mal, dass ich auch am Wochenende arbeite. Nein, ich hab keine definierten Arbeitszeiten, und ich weigere mich auch. Ich bin so sehr Freigeist, dass ich mich nicht selbst bezwingen lasse. Das ist für mich ein wichtiger Teil der Lebensqualität, die ich mir als Selbstständige gönne, dass ich einerseits mal am Wochenende oder bis spät in den Abend arbeite, dafür aber auch mal einen Tag nichts tue. Ich muss auf meine Gesundheit achten und brauche viel Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit. Da wäre ein striktes Zeitkorsett nicht sinnvoll.

bv: Arbeiten Sie gerne im Homeoffice?

DP: Das hat viele Vorteile, zum Beispiel weil man im Winter bei Sturm und Regen nicht rausgehen muss, sondern sich warm, kuschelig kleiden kann und nur ins Nebenzimmer gehen muss. Das liebe ich sehr! Und man muss mittags nicht in einer Kantine Junkfood zu sich nehmen.

bv: Wird es nach der langen Angestelltenzeit nicht auch mal einsam im Homeoffice?

DP: Der Hauptnachteil des Homeoffice ist wirklich, dass einem die Decke auch mal auf den Kopf fällt. Deshalb arbeite ich manchmal gern im Kaffeehaus. Es gibt hier in Wien viele Lokale, wo man ungestört stundenlang sitzen und arbeiten kann und wo’s kostenlos Internet gibt. Manche Schriftsteller haben ja das Kaffeehaus als ihr erweiteretes Wohnzimmer betrachtet und stundenlang nichts weiter als einen großen Schwarzen getrunken. Ich liebe das sehr, mich in einen Winkel zu setzen und drei, vier Stunden da zu arbeiten. Aber ich habe auch mit ein paar Kolleginnen aus meinem Netzwerk eine Art Nomadenbüro kreiert. Wir wollten kein gemeinsames externes Büro, weil das zusätzliche Fixkosten sind, die uns unfrei machen. Jetzt wechseln wir uns ab, wie bei einer Art Rochade treffen wir uns immer bei einer anderen. Manchmal nützen wir das regelmäßig, manchmal weniger.

Eine Ghostwriterin ist keine bessere Schreibkraft

bv: Haben Sie das Gefühl, dass sich in den letzten zehn Jahren das Ansehen des Schreibberufes sehr verändert hat?

DP: In den ersten Jahren meiner Selbstständigkeit habe ich auch Seminare und Workshops geleitet und Berufstätigen Schreibkompetenz vermittelt. In dieser Zeit habe ich ein bisschen gehadert. Es herrschte schon sehr die Meinung vor, schreiben kann eh jeder, das haben wir doch in der Schule gelernt; wozu soll man sich jetzt noch Kompetenz aneignen? Zu Anfang hab ich sehr viel dagegen argumentiert, aber das war mir irgendwann zu blöd. Heute mach ich keine Seminare mehr, kann also nicht sagen, ob sich an der Einstellung seitdem was geändert hat.

bv: Wie hat sich in dieser Zeit das Ansehen des Ghostwritings verändert?

DP: Als Ghostwriterin erlebe ich, dass es Menschen gibt, die anerkennen, dass Schreiben ein Handwerk ist, das nicht alle können. Sie erkennen offensichtlich, dass es eine gewisse Kompetenz zum Schreiben braucht. Aber vielleicht hat das auch mit der Textart zu tun. Bei meinen Kursen ging es um Gebrauchstexte. Ein Buch ist dagegen eine besondere Textsorte, hat den Nimbus des Besonderen und dass man besonders klug sein muss, um so etwas schreiben zu können. Es ist ja auch unheimlich viel Text für einen Laien, und da ist es für einen Autor gut, jemanden mit Schreibkompetenz an der Seite zu haben. Wenn ich das Gefühl hätte, der Kunde denkt, ich sei eine bessere Schreibkraft, dann würde ich den Job nicht annehmen. Aber das ist mir bisher noch nicht passiert.

bv: Wie haben sich die Honorare verändert?

DP: Das, was ich mit einem Kunden vereinbaren kann, hat drei Vektoren: Der eine wird vom Markt bestimmt, der andere von meinem Selbstwert, der dritte vom Budget. Ich hatte vor Jahren Kunden, die die Augen ganz groß aufgerissen haben, als sie das Honorar erfuhren, und erschrocken den Kopf geschüttelt haben. Das passiert in letzter Zeit nicht mehr. Ich habe natürlich auch noch nie erlebt, dass einer sagt: „Ach, so wenig? Na dann!“
Ich glaube, dass das mit meinem Selbstverständnis zu tun hat, mit dem ich meinen Preis nenne. Ich habe heute das Selbstvertrauen, zu sagen: Ich weiß, dass ich das gut mache. Ich weiß, dass es Ghostwriter gibt, die kein so umfassendes Knowhow haben wie ich. Das weiß ich auch aus Schilderungen von Kunden. Und ich kenne den Buchmarkt, ich habe Marketing-Verständnis, schreibe also nicht nur das Buch, sondern leiste auch viel rundherum.

bv: Ist Ihr Weg der ideale Weg für eine Ghostwriterin?

DP: Das Feedback meiner Kunden ist, dass ich sehr glaubwürdig wirke, auch was das Fachliche betrifft. Ich weiß genug über Wirtschaft und Psychologie, um mitreden zu können. Und meine Erfahrung als Angestellte in der Wirtschaft macht mich ebenfalls zu einer interessanten Anbieterin. Sicher kann ich nicht alles, was ein Germanist könnte, bin vielleicht nicht so belesen in der Literatur wie ein Germanist. Aber ich habe eine Ahnung, wovon meine Kunden sprechen, und das verbindet mich mit ihnen; da bin ich ein guter Sparringspartner.

bv: Welche Vorteile hat eine Quereinsteigerin wie Sie gegenüber einer, die „nur“ vom Schreiben kommt?

DP: Quereinsteiger sind generell interessant, weil sie eine andere Brille tragen, weil sie eine andere Herangehensweise haben und sich ihren Job hart erkämpft haben, das habe ich in meinem früheren Beruf im Recruiting schon zu schätzen gewusst. Ich habe viele Jahre gebraucht, bis ich endlich da angekommen bin, wo ich mich richtig wohlfühle. Das strahlt man auch aus, diese Freude, dass man es geschafft hat. Es ist um keinen Schritt schade, den man mal in eine andere Richtung gemacht hat.
Ich werde öfter mal gefragt: „Wär’s nicht gescheiter gewesen, Germanistik zu studieren?“ Ich denke, es gibt Profischreiber, die haben Germanistik studiert und sich dann in ein Fachgebiet vertieft. Und es gibt andere, die haben ein Fachgebiet studiert und sich dann ins Schreib-Knowhow vertieft. Beide haben ihre Qualitäten auf derselben Ebene. Ich gehöre zu den Letzteren und habe Wirtschaft studiert. Mein Vorteil: Ich mache sogar Buchhaltung gern. (lacht)

Man muss leidenschaftlich gern schreiben wollen

bv: Inwiefern kommt Ihnen in diesem Job auch Ihre Coaching-Ausbildung zugute?

DP: Da laufen manche Gespräche über das Thema ganz anders ab, weil ich andere Werkzeuge hab, um gezielte Fragen zu stellen, um den Kern des Bedürfnisses rauszufinden, z. B. warum jemand dieses Buch schreiben will. Das muss sich zwar nicht unmittelbar im Buch abbilden, aber es hilft mir, dem Buch den richtigen Touch zu geben.

bv: Wie viel Prozent macht das Ghostwriting in Ihrem Arbeitsalltag aus?

DP: Heuer sind es etwa 60 Prozent meiner Arbeitszeit. Ich bin also auf dem richtigen Weg! (lacht)

bv: Was bieten Sie sonst noch an?

DP: Ich berate Autoren und begleite sie durch ihr gesamtes Buchprojekt. Das heißt, dass ich da selbst nicht schreibe, ihnen aber beim Exposé helfe, bei der Verlagssuche oder auch dabei, ihre Buchidee klar abzugrenzen. Sehr gern bin ich auch Schreibcoach, wo ich Autoren anhand des Buchprojekts oder eines Fachartikels das Schreibhandwerk vermittle. Im Rahmen des Buchmarketing fallen verschiedene Textarbeiten an, die ich übernehme, wie zum Beispiel Website-Texte, Flyer, Blogbeiträge, PR-Artikel und dergleichen. Mein neuestes Baby sind Shortstorys für Kunden, denn ich finde es sehr spannend, wenn man Sachtexte in Erzählform präsentiert.

bv: Was würden Sie Leuten raten, die sich fürs Ghostwriting interessieren?

DP: Also abgesehen davon, dass sie leidenschaftlich gerne schreiben sollten, würde ich ihnen raten, sich so viele Sachbücher wie möglich anzuschauen, besonders, wie die erfolgreichen geschrieben sind. Es gibt ja verschiedene Konzepte, wie man ein Sachthema aufbereiten kann. Darüber hinaus gibt’s Trends bei Sachbüchern. Die klassischen Ratgeber haben gestrotzt von Kästchen, Icons, Übungsbeispielen und Tipps. Das seh ich in letzter Zeit aber immer weniger. Jetzt kommen immer mehr Geschichten.

bv: Was sollte man, Ihrer Ansicht nach, außerdem unbedingt für diesen Job mitbringen?

DP: Die Liebe zur Sprache liegt auf der Hand. Man braucht auch einen langen Atem und Interesse für das Thema, über das man schreiben soll. Wenn das einen nicht interessiert, wird man kein guter Ghostwriter sein. Ganz wichtig finde ich jedoch das aufrichtige Interesse an den Menschen, die dieses Wissen tragen. Denn ein Thema für sich allein mag vielleicht interessant sein. Richtig spannend wird es aber erst, wenn man der Autorin oder dem Autor gut zuhört und herausfindet, welche Färbung er dem Thema gibt, welche Brille sie auf hat. Das ist für mich das eigentliche Abenteuer: Ich weiß zum Beispiel etwas über Kundenbindung und Kundenzufriedenheit in der Wirtschaft. Doch dann kommt eine Kundin auf mich zu, die das aus der Sicht des Kulturmanagements betrachtet. Ich denke, erst wenn man sich für den Menschen interessiert, kann man über das Thema gut schreiben.

bv: Herzlichen Dank für das Gespräch!


(Zuerst veröffentlicht auf „Schreiben als Beruf“ am 19.11.2013.)

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